Heute ist alles anders

Von einen Tag auf den anderen kann sich das Leben ändern. Manchmal spürt man das sogar vorher. 

Kürzlich wurde ich Zeuge eines tödlichen Verkehrsunfalls. Details darüber möchte ich nicht schreiben. Aber mir wurde durch dieses Ereignis bewußt, dass ein Leben in wenigen Sekunden ausgehaucht werden kann. Und nicht nur das. Solche Ereignisse haben viele Opfer. Auch ohne Kategorien wie zum Beispiel Schuld, kann von einem auf den anderen Moment das Leben vieler Menschen aus den Angeln gehoben werden.

Jeder lebt in seinem eigenen Universum.                                                            Foto: Annette Steiner

Floskeln klingeln im Kopf: Lebe jeden Tag, als wäre es der letzte. Carpe diem. Irgendwie sowas in der Art.

 Jeder Tag ist für jeden anders. Und jeder von uns lebt in seiner eigenen Welt oder auf seinem eigenen Planeten. Hat sein eigenes Universum. 

Morgens aufstehen. Die morschen Knochen bewegen und es Gymnastik nennen. Das Bad aufsuchen, duschen, Haare kämmen, cremen. Musik hören. Vielleicht mitsingen. Müsli mit heißer Milch übergiessen. Einen Apfel kleinschneiden. Milchschaum und Kaffee in einen Becher gießen.

Normale Tage. Und dann gibt es diesen einen Tag, der komplett anders abläuft als geplant. Dabei hatte ich so eine seltsame Ahnung, wenige Tage zuvor, dass etwas Schlimmes passieren würde. Es krabbelte durch meine Adern und es war so ein Kloss im Hals - ein unbestimmtes, komisches Gefühl.

Und dann passiert etwas, was man nicht erwartet. An einem normalen Montag. Dieser Tag hat für alle Menschen auf diesem Planeten so begonnen. Jeder in seiner Welt. Und doch clashen wir ab und zu zusammen. Unfreiwillig. Unschön. 

Tränen, Durchatmen. Die Analyse den anderen überlassen. Den Profis. Jede Sekunde Erinnerung durchgehen. Wie war es genau? In der Erinnerung füllt unser Gedächtnis Lücken auf, habe ich gelernt. 

Und ich habe gelernt, das Kriseninterventionsteam anzurufen. Unter der 112 kann man hier Hilfe bekommen, wenn man gerade etwas Schlimmes erlebt hat. Die sehr nette Dame hat mir in erster Linie zugehört. Mich bestärkt. Was tut ihnen jetzt gut? Was tut mir gut? Reden? Reden. Gartenarbeit? Gartenarbeit. Wir reden. Ich hatte angefangen, alles aufzuschreiben. Das hat mir gut getan. Und, dass ich sie wieder anrufen darf, wenn ich Hilfe brauche. 

In den ersten Stunden war es immer wieder das Szenario, welches vor meinen Augen spielte. Wie ein Film in Endlosschleife. Das gab sich. Aber die Unfassbarkeit und tiefe Trauer bleibt und ab und zu wird mir richtig schlecht, weil das Gefühl so tief geht.

Drei Wochen nach so einem Ereignis kann der Körper ganz unterschiedlich reagieren, erklärt mir die Kriminaloberkommissarin bei meiner Aussage bei der Polizei. Übelkeit, depressive Verstimmungen, Albträume können sich einstellen. Sollten die Reaktionen länger als vier Wochen andauern, sollte man sich unbedingt Hilfe suchen.

Ich rede mit meinem direkten Umfeld. Erfahre überwiegend Verständnis und Gehör. Und es passiert das Phänomen, dass sich viele an eigene schlimme persönliche Erfahrungen erinnert fühlen. Und es passiert, dass jemand sagt, na, hätte nicht gedacht, dass dich sowas umhaut. Du bist doch eine starke Frau. Hmm. Es kann passieren, dass jemand sowas sagt. Das finde ich nicht gut, aber jeder hat seine Welt. Was soll ich sagen, antworte ich. Ich schüttel mir sowas nicht so leicht aus den Kleidern, dazu stehe ich.

Wird die Erinnerung an jeden Montag verblassen? Ich weiß es nicht. Aber wenn ich an ähnliche Ereignisse denke, vermutlich nicht. Also versuche ich etwas zu lernen. Was auch immer passiert, es ist mein Leben. Wo ich bin, will ich sein. Und wenn ich irgendwo nicht sein möchte, mich nicht wohlfühle oder voraussichtlich nicht wohlfühlen werde, dann gehe da nicht hin. Oder ich versuche, die Anteile zu erhöhen, so zu leben. Man kann es sich ja nicht immer aussuchen. 






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